Es war einmal ein ganz normaler Nachmittag bei uns zu Hause: Ich stand in der Küche und versuchte, irgendwas Gesundes auf den Tisch zu zaubern, während aus dem Wohnzimmer wahlweise lautes Gekicher oder der schrille Ton eines Youtube-Videos zu hören war. Mein Sohn saß mit dem Tablet auf dem Sofa, meine Tochter schaute auf dem Handy Serienclips, und mein Mann scrollte sich durch eine Flohmarktgruppe bei Facebook. Ich war genervt. Und wenn ich ehrlich bin: auch ein bisschen hilflos. Es war, als hätte jeder seinen kleinen Bildschirm-Kokon – und ich mittendrin mit dem Gefühl, gegen Windmühlen zu kämpfen.
Der Moment, in dem wir wussten: So geht’s nicht weiter
Wir hatten keinen festen Plan, keine klaren Regeln – und genau das war das Problem. Medien waren plötzlich überall. Nicht nur das klassische Fernsehen, sondern eben auch Spiele-Apps, Social Media, Streaming-Dienste. Und wir mittendrin – mit dem Gefühl, die Kontrolle verloren zu haben. Besonders deutlich wurde es, als unsere Tochter abends im Bett weinte, weil sie „nur noch ganz kurz“ was schauen wollte. Und als unser Sohn lieber eine Runde zockte, als mit zum Spielplatz zu kommen. Das tat weh. Und gleichzeitig spiegelte es uns auch unsere eigenen Gewohnheiten: Wie oft greife ich eigentlich selbst zum Handy, nur um „mal kurz was zu checken“?
Erste Gespräche – und viele unterschiedliche Vorstellungen
Wir setzten uns also zusammen. Und zwar als Familie. Ich wollte das nicht alleine entscheiden – schließlich waren wir alle betroffen. Die Kinder fanden die Idee, über Regeln zu sprechen, erst mal gar nicht so schlecht – dachten aber wohl, es ginge eher um mehr statt weniger Bildschirmzeit. Mein Mann wiederum war skeptisch: „Wir können doch nicht einfach alles verbieten.“ Stimmt. Aber wir konnten versuchen, es gemeinsam besser zu regeln.
Das Gespräch dauerte – und war nicht frei von Diskussionen. Die Kinder hielten uns auch den Spiegel vor: „Aber du bist doch auch dauernd am Handy, Mama!“ Touché. Es wurde klar: Wir mussten nicht nur über die Mediennutzung der Kinder sprechen, sondern auch über unsere eigene.
Der erste Schritt: Bestandsaufnahme mit offenem Blick
Wir fingen an, unsere Mediennutzung aufzuschreiben. Eine Woche lang – jeder für sich. Keine Kontrolle, kein erhobener Zeigefinger, einfach nur ehrlich. Was dabei rauskam, war ernüchternd: Stundenlange Scroll-Zeiten bei uns Eltern, viel mehr Bildschirmzeit bei den Kindern als gedacht. Und vor allem: sehr wenig gemeinsame Momente. Das saß.
Interessant war: Obwohl wir dachten, wir hätten „kaum Zeit“, zeigten die Listen ganz klar, wo unsere Stunden verschwanden. Zwischen Nachrichten-Checken, Serienmarathon und TikTok-Runden kam ganz schön was zusammen. Und es wurde uns bewusst, dass unser Medienkonsum weniger aus echtem Interesse, sondern oft einfach aus Gewohnheit oder Langeweile entstand.
Neue Regeln – gemeinsam aufgestellt
Aus dieser Erkenntnis heraus entwickelten wir gemeinsam Regeln, die für uns alle Sinn machten:
- Es gibt festgelegte Bildschirmzeiten – abhängig vom Alter, aber mit Luft für Ausnahmen an besonderen Tagen.
- Kein Handy am Esstisch – und das gilt für alle (ja, auch für Papa und seine Flohmarktgruppen).
- Vor dem Schlafengehen mindestens 30 Minuten ohne Bildschirm.
Zusätzlich vereinbarten wir sogenannte „medienfreie Zeiten“: Zum Beispiel sonntagsvormittags oder eine Stunde nach der Schule. Diese Phasen waren nicht starr, aber sie halfen uns, bewusst Pausen zu schaffen.
Wir notierten diese Regeln auf einem großen Blatt Papier und hängten sie an unseren Familienkalender. Sichtbar für alle, verbindlich für alle. Die Kinder durften den Zettel selbst gestalten – mit Farben, Smileys und kleinen Zeichnungen. Das machte es greifbarer und persönlicher.
Der Anfang war … holprig
Natürlich lief das nicht sofort glatt. Die Kinder testeten aus, wir Erwachsenen vergaßen unsere eigenen Regeln – oder fanden spontan Ausreden. „Nur kurz eine Mail beantworten“ wurde schnell zu „Ich bin dann mal 20 Minuten weg“. Doch das Entscheidende war: Wir blieben im Gespräch. Wenn etwas nicht funktionierte, passten wir es an. Und wenn es Streit gab, erinnerten wir uns an unser gemeinsames Ziel: bewusster mit Medien umzugehen.
Wir führten sogar eine Art Wochen-Runde ein: Sonntags beim Frühstück erzählten alle, was gut lief und was schwierig war. Manchmal kamen überraschend ehrliche Aussagen: „Ich hab’s vermisst, abends YouTube zu schauen.“ Oder: „Es war eigentlich schön, dass wir zusammen Karten gespielt haben.“ Diese kleinen Reflektionen halfen uns enorm.
Was wir mit der Zeit gelernt haben
Je länger wir dranblieben, desto mehr veränderte sich unser Alltag. Hier ein paar Beobachtungen, die uns wirklich überrascht haben:
- Unsere Tochter fing wieder an zu malen – einfach so, aus sich heraus.
- Unser Sohn wurde kreativer beim Spielen – er baute mit Lego ganze Geschichten, statt sie nur am Bildschirm zu erleben.
- Wir Eltern waren abends entspannter, wenn wir mal bewusst ohne Handy auf der Couch saßen.
- Die Gespräche beim Abendessen wurden lebendiger, weil nicht alle noch halb im Netz hingen.
Außerdem merkten wir, wie gut es tut, wenn Langeweile wieder Raum bekommt. Anfangs jammerte unser Sohn: „Mir ist sooo langweilig!“ Aber aus genau dieser Langeweile entstanden neue Ideen: Budenbauen, Hörspiele hören, sogar ein selbst gebastelter Comic.
Medienzeit als Familienzeit nutzen
Ein besonders schöner Effekt: Wir begannen, Medien auch gemeinsam zu nutzen. Wir suchten zusammen Serien aus, spielten als Familie ein Konsolenspiel oder machten Foto-Challenges mit dem Handy. Plötzlich war Medienzeit nicht mehr nur „stille Einzelbeschäftigung“, sondern gemeinsames Erleben.
Wir führten sogar ein wöchentliches „Medien-Date“ ein: Einmal die Woche durfte einer von uns etwas Digitales aussuchen, das wir gemeinsam anschauen oder spielen. Das stärkte das Gemeinschaftsgefühl und nahm den Druck raus. Unsere Tochter stellte uns ein Tanzspiel vor – und lachte Tränen, als Papa versuchte mitzuhalten. Diese Momente waren Gold wert.
Und wenn’s mal schiefgeht?
Ja, es gibt sie noch – die Ausrutscher. Tage, an denen plötzlich doch jeder wieder vorm Bildschirm hängt. Situationen, in denen man sich fragt: Haben wir wirklich was verändert? Aber weißt du was? Das ist okay. Es geht nicht um Perfektion. Sondern darum, bewusst hinzuschauen und gemeinsam dran zu bleiben.
Manchmal hilft uns ein kleiner Reminder: Wir haben ein Glas mit Zetteln gefüllt, auf denen Offline-Aktivitäten stehen – von „Picknick im Wohnzimmer“ bis „Schattenraten mit Taschenlampe“. Wenn’s mal wieder zu sehr Richtung Medien kippt, ziehen wir einen Zettel. Ganz oldschool – aber ziemlich effektiv.
Unser Fazit nach einem Jahr: Mehr Miteinander, weniger Streit
Heute, gut ein Jahr nach unserem Familienbeschluss, fühlt sich der Umgang mit Medien entspannter an. Klar gibt es Diskussionen, und ja, manchmal nervt es auch. Aber wir streiten weniger, weil die Regeln klar sind. Und wir verbringen mehr bewusste Zeit miteinander – mit und ohne Bildschirm. Für uns war es der richtige Schritt.
Und das Schönste: Die Kinder sind mittlerweile selbst kritischer geworden. Wenn ein Video sie nervös macht oder eine App zu viel Zeit frisst, sagen sie Bescheid. Medienkompetenz ist bei uns kein großes Schlagwort mehr – sie ist einfach Teil unseres Familienlebens geworden.
Wenn du also gerade das Gefühl hast, das Tablet übernimmt dein Wohnzimmer – du bist nicht allein. Es lohnt sich, als Familie gemeinsam hinzuschauen. Und es ist nie zu spät, das Ruder rumzureißen.