Wenn du alleinerziehend bist – oder auch einfach Elternteil mit zu viel auf dem Zettel – kennst du das Gefühl: Der Tag hat zu wenig Stunden, der Kopf zu viele Gedanken, und die Wäsche zu viele Beine. Irgendwann kommt man an diesen Punkt, an dem man sich fragt: „Wie soll ich das eigentlich noch alles schaffen?“
Ich war genau da. Immer wieder. Zwischen Kita, Spülmaschine, Job und Zahnarztterminen fühlte ich mich wie im Dauerlauf auf einem Laufband, das keiner ausschaltet. Und das mit einem Dauerlächeln, versteht sich. Bis ich eines Tages nicht mehr konnte. Ich musste etwas ändern – und das hieß: Hilfe zulassen, Hilfe suchen, Hilfe organisieren. Und genau darum soll es heute gehen. Kein perfektes System. Keine Checkliste, die alles löst. Sondern mein ehrlicher Weg zu mehr Entlastung im Familienalltag.
Denn eines habe ich gelernt: Man wächst nicht nur an seinen Aufgaben, sondern auch an der Fähigkeit, Hilfe anzunehmen und Verantwortung abzugeben. Und manchmal fängt das bei ganz kleinen Dingen an, die in der Summe Großes verändern.
Hilfe organisieren – aber wo anfangen?
Anfangs hatte ich dieses diffuse Gefühl: „Ich brauche Hilfe.“ Aber worin genau eigentlich? Und wie soll ich das überhaupt angehen? Ich habe mich hingesetzt, ganz altmodisch mit einem Stift, und aufgeschrieben, was mich am meisten stresst. Spoiler: Es war nicht nur eine Sache.
- Haushalt: Dauerbaustelle. Nie fertig. Immer irgendwo ein Wäscheberg oder ein leerer Kühlschrank.
- Arbeit: Nach Feierabend war vor dem nächsten Arbeitsblock. Emails nachts, To-do-Listen im Kopf.
- Kind: Natürlich das Herzstück – aber eben auch fordernd, gerade wenn man alles allein wuppt.
- Ich selbst: Oft am Ende der Liste. Zu oft.
Diese Auflistung war mein erster Schritt. Ich musste rausfinden, wo ich überhaupt Hilfe gebrauchen kann, bevor ich sie mir holen konnte. Und dann habe ich Schritt für Schritt angefangen, mir mein Netzwerk aufzubauen – oder besser gesagt: mein Dorf, das es ja bekanntlich braucht, um ein Kind großzuziehen.
Dazu gehörte auch, ehrlich zu mir selbst zu sein. Wo habe ich falsche Erwartungen an mich selbst? Wo erwarte ich, dass ich alles allein schaffe, weil ich denke, es wird von mir erwartet? Diese innere Inventur war fast genauso wichtig wie die äußere Organisation.
Haushalt entlasten: Vom Putzplan zum Alltags-Hack
Der Haushalt war mein größter Stressfaktor. Ich habe jeden Abend gedacht: „Ich müsste eigentlich noch…“ – und dabei vergessen, dass „eigentlich“ auch einfach mal Pause bedeuten darf. Also habe ich zwei Dinge gemacht:
- Ich habe Aufgaben abgegeben. An mein Kind. Ja, auch mit fünf Jahren kann man schon Müll rausbringen, Besteck einsortieren oder Socken sortieren. Klar dauert das länger – aber es entlastet langfristig und gibt dem Kind Verantwortung. Und hey: Wenn das Kind mit dem Staubsauger durch die Wohnung rennt, fühlt es sich wie ein Superheld – win-win!
- Ich habe mich von Perfektion verabschiedet. Es muss nicht aussehen wie im Katalog. Es reicht, wenn wir uns wohlfühlen. Der Esstisch darf kleben. Das Wohnzimmer darf nach Lego aussehen. Und wenn die Fenster mal ein paar Wochen ungeputzt bleiben – who cares?
Dann kam die Entscheidung, mir eine Haushaltshilfe zu leisten. Erst dachte ich: Das ist doch Luxus. Doch als ich zum ersten Mal nach einem langen Tag nach Hause kam und die Wohnung roch nach Zitrone statt Chaos, wusste ich: Das ist kein Luxus. Das ist Lebensqualität. Nur alle zwei Wochen – aber diese paar Stunden Fremdhilfe haben so viel Druck rausgenommen.
Außerdem habe ich angefangen, sogenannte Mikro-Hacks in den Alltag einzubauen: Wäsche direkt morgens starten, Putzmittel griffbereit halten, und mein persönlicher Favorit – ein Korb auf jeder Etage, in den alles reinkommt, was später weggeräumt werden muss. Spart Nerven und unnötige Wege.
Arbeitsalltag strukturieren – mit Flexibilität statt Selbstaufgabe
Ich arbeite in Teilzeit – was in Wirklichkeit oft eher nach Vollzeit aussieht. Deadlines nehmen keine Rücksicht auf Kita-Schließzeiten. Also habe ich mir einen ehrlichen Wochenplan gemacht: Wann kann ich realistisch arbeiten, wann bin ich blockiert, wann brauche ich Pausen?
Ich habe mit meiner Chefin gesprochen – und offen erklärt, wie es bei mir aussieht. Das war eine Überwindung, aber sie hat mir neue Freiräume eröffnet: Homeoffice-Tage, flexible Stunden, klarere Prioritäten. Und ich habe mir angewöhnt, meine Arbeitszeit zu „beschützen“. Keine Mails um 22 Uhr. Kein Arbeiten während des Abendbrots.
Ich habe auch bewusst gelernt, Aufgaben zu priorisieren. Die klassische Eisenhower-Matrix hilft mir dabei: Was ist dringend und wichtig? Was kann warten? Was muss ich gar nicht selbst machen? Es ist okay, auch mal etwas NICHT zu machen.
Was auch hilft: Ich habe ein Co-Working-Modell mit einer anderen Mutter. Einmal pro Woche nehme ich ihr Kind nach der Schule, einmal sie meines. Das gibt uns beiden je einen Nachmittag zum Durchatmen – und unseren Kindern einen Spielpartner. Wir haben sogar angefangen, gemeinsam im Café zu arbeiten, während die Kids beim Nachmittagsprogramm sind. Eine Art Mini-Büro mit Latte-Macchiato und ehrlichen Gesprächen – das tut doppelt gut.
Kinderbetreuung kreativ gestalten
Ein Kind zu betreuen ist ein Fulltime-Job. Und es gibt keine Pause-Taste. Ich habe irgendwann gemerkt: Ich brauche zwischendurch Luft. Für mich. Für meine Nerven. Für unsere Beziehung. Denn ein ausgebranntes Elternteil ist keine gute Gesellschaft – weder für sich selbst noch für sein Kind.
Also habe ich mir Hilfe gesucht. Nicht nur „klassisch“, sondern auch kreativ:
- Eine Schülerin aus der Nachbarschaft, die einmal die Woche mit meinem Kind auf den Spielplatz geht
- Eine Leihoma aus einer regionalen Initiative
- Ein Tauschkreis mit anderen Alleinerziehenden: Wir wechseln uns mit dem Abholen und Spielen ab
- Familienzeit mit Freunden – wenn zwei Erwachsene vier Kinder betreuen, ist das immer noch leichter als ein Erwachsener mit einem müden Kind im Trotzmodus
- Ferienprogramme und Workshops in der Stadt, die bezahlbar und spannend sind
Ich habe auch damit aufgehört, mich dafür zu schämen, mein Kind „abzugeben“. Stattdessen sehe ich es als Chance. Für mein Kind, neue Kontakte zu knüpfen. Und für mich, kurz mal durchzuatmen. Ein Kind braucht nicht 24/7 die gleiche Person – es braucht ein Netz.
Hilfe annehmen lernen – innerlich und äußerlich
Das Schwierigste war nicht, Hilfe zu organisieren – sondern sie wirklich anzunehmen. Ich hatte lange das Gefühl, dass ich dadurch versage. Dass ich es „nicht schaffe“. Aber irgendwann hat eine Freundin zu mir gesagt: „Vielleicht bist du gerade stark, weil du dir Hilfe holst – und nicht, obwohl du es allein schaffst.“
Das hat gesessen. Und verändert. Ich habe gelernt, mich nicht für Hilfe zu rechtfertigen, sondern sie mit offenen Armen zu begrüßen. Ich frage heute bewusst: „Kannst du mich da unterstützen?“ – und ich sage auch bewusst „Ja“, wenn jemand mir etwas anbietet. Es ist okay, wenn ich nicht alles kann. Es ist okay, wenn ich nicht alles allein mache.
Auch das mentale Loslassen gehört dazu. Ich muss nicht die Kontrolle über jeden Ablauf haben. Es ist okay, wenn der Babysitter das Abendbrot anders zubereitet. Wenn Oma andere Regeln hat. Hauptsache: Ich habe eine Pause. Und mein Kind hat Vielfalt.
Mein ganz eigenes Netzwerk – Stück für Stück gewachsen
Heute habe ich mein kleines Helfer:innen-Netzwerk. Es sieht nicht aus wie im Bilderbuch. Es ist nicht perfekt. Aber es trägt. Und es wächst. Manchmal bricht etwas weg – eine Babysitterin zieht um, ein Unterstützungsmodell funktioniert nicht mehr – aber dann finde ich neue Wege.
Ich habe mir eine Liste gemacht: Wer ist für was da? Wer kann spontan helfen, wer eher geplant? Wer bringt Leichtigkeit, wer Struktur? Und ich pflege dieses Netzwerk. Ich sage danke. Ich frage nach. Ich helfe zurück, wo ich kann. Und ich feiere es, dass ich nicht mehr alles alleine stemmen muss.
Ich habe sogar ein kleines Ritual eingeführt: Einmal im Monat schreibe ich jemandem aus meinem Unterstützungsnetz eine kleine Nachricht – einfach so, als Danke. Das stärkt unsere Verbindung. Und erinnert mich daran, wie wertvoll diese Menschen sind.
Mein Fazit
Haushalt, Arbeit, Kinder – es ist ein Spagat. Ein täglicher Tanz auf dünnem Seil. Aber ich muss ihn nicht alleine tanzen. Hilfe ist kein Zeichen von Schwäche. Sie ist ein Zeichen von Klarheit, Mut und echter Selbstfürsorge.
Wenn du das Gefühl hast, unterzugehen: Fang klein an. Schreib auf, was dich überfordert. Frag einmal um Hilfe. Hol dir Unterstützung – ob bei der Nachbarin, dem Jugendamt, der Freundin oder der Familie. Du musst nicht alles allein schaffen. Wirklich nicht.
Und vielleicht entsteht dann auch bei dir ein kleines Dorf, das dich trägt. So wie meins. Es muss nicht perfekt sein. Es muss nur halten. Und dich daran erinnern: Du bist nicht allein.