Wenn du selbst Elternteil bist, kennst du das: Kinder sind laut. Manchmal schrill. Manchmal nonstop. Manchmal gleichzeitig aus drei Richtungen. Und manchmal so durchdringend, dass du das Gefühl hast, dein Gehirn macht gleich einfach zu. Willkommen im Alltag mit Kindern.
Was in diesen Momenten fehlt? Ruhe. Klar. Aber noch viel mehr fehlt oft der innere Anker. Die Verbindung zu dir selbst. Denn in all dem Krach geht nicht nur der Nerv flöten – sondern oft auch das Gefühl: Ich bin bei mir. Ich bin sicher. Ich bin okay.
Dieser Artikel ist für dich. Für die Momente, in denen du kurz vorm Ausrasten bist. Für die Tage, an denen du dir wünschst, einfach mal nur Stille zu hören. Und für all die Situationen, in denen du dich fragen musst: Wie bleibe ich in meiner Mitte, wenn um mich herum alles tobt?
Warum Kinder so laut sind (und warum das völlig normal ist)
Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Ihr Nervensystem ist noch in der Entwicklung, ihre Emotionen sind groß und ungefiltert. Und wenn sie wütend, aufgeregt, übermüdet oder frustriert sind, dann kommt das laut raus.
Sie schreien, kreischen, quietschen, streiten, singen in Dauerschleife oder heulen mit voller Lunge. Nicht, weil sie dich ärgern wollen, sondern weil sie schlicht keine andere Strategie haben. Sie leben ihre Gefühle nach außen. Du lebst sie nach innen. Und da beginnt das Problem.
Denn wenn wir versuchen, inmitten dieses Lärms ruhig zu bleiben, kommen wir oft an unsere Grenzen. Weil unser Gehirn in Alarmbereitschaft geht. Weil unser Stresspegel steigt. Und weil wir irgendwann das Gefühl verlieren, dass wir selbst noch da sind.
Was Lärm mit deinem Nervensystem macht
Lautstärke ist Reiz. Und Reize brauchen Energie. Wenn dein Kind also brüllt wie ein Türsteher oder mit einer Trommel durchs Wohnzimmer marschiert, dann passiert in dir biologisch Folgendes:
- Dein Gehirn stuft den Lärm als potenzielle Gefahr ein (auch wenn du es weißt: Es ist „nur“ das Kind)
- Dein Körper geht in Alarmstellung: Puls hoch, Anspannung, Adrenalin
- Deine Konzentration nimmt ab, Reizbarkeit nimmt zu
- Deine Fähigkeit zur Selbstregulation wird immer schwerer
Und genau deshalb fühlt sich das Chaos um dich herum manchmal so an, als wäre es auch in dir drin. Du reagierst nicht mehr bewusst, sondern automatisch. Du schreist zurück. Du knallst die Tür. Du heulst ins Kissen.
Es ist kein Zeichen von Schwäche. Es ist ein Zeichen von Überreizung. Und dafür gibt es Werkzeuge.
1. Atmen. Klingt simpel. Ist es auch. Aber wirkungsvoll.
Wenn der Lärm dich überrollt, hilft dir dein Atem als Anker. Nicht dieses flache, hektische Schnaufen. Sondern bewusste Bauchatmung.
So geht’s:
- Setz dich hin oder bleib stehen, aber richte dich auf
- Leg eine Hand auf den Bauch
- Atme durch die Nase langsam ein, zähle bis 4
- Halte kurz inne
- Atme durch den Mund aus, zähle bis 6
- Wiederhole das fünfmal
Du wirst merken: Die Welt bleibt laut. Aber du bleibst bei dir.
2. Mini-Mantra: Deine Gedanken lenken dich zurück
Wenn es brüllt, quietscht und kracht, kannst du innerlich etwas wiederholen, das dich stabilisiert. Zum Beispiel:
- „Ich bin ruhig, auch wenn es laut ist.“
- „Es ist nicht gegen mich gerichtet.“
- „Ich darf Pause machen.“
So ein Satz kann wie ein Rettungsring sein. Er holt dich aus dem Autopiloten. Und gibt dir Handlungsspielraum.
3. Die 5-Sinne-Technik für Notfälle
Wenn du das Gefühl hast, komplett die Kontrolle zu verlieren, probier das hier:
- 5 Dinge, die du siehst (z. B. der Teppich, ein Stuhl, ein Spielzeug…)
- 4 Dinge, die du spürst (deine Hose, die Lehne, deine Füße am Boden…)
- 3 Dinge, die du hörst (auch wenn es laut ist: achte auf Details)
- 2 Dinge, die du riechst (Kaffee? Seife? Das Kind?)
- 1 Ding, das du schmeckst (vielleicht ein Schluck Wasser?)
Diese Übung bringt dich raus aus dem Sturm und rein ins Jetzt. In deinen Körper. In deine Wahrnehmung.
4. Räume wechseln, wenn möglich
Du darfst rausgehen. Wirklich. Nicht alles muss in einem Raum gelöst werden. Sag deinem Kind: „Ich bin gleich wieder da.“ Und geh ins Bad, in die Küche, auf den Balkon.
Ein Raumwechsel unterbricht das akustische Dauerfeuer. Und schafft dir drei Dinge: Distanz, Sauerstoff und Perspektive.
Und ja, manchmal weinen sie dann. Aber das ist okay. Denn du gehst nicht weg, weil du sie ablehnst. Sondern damit du gleich wieder mit Kraft für sie da sein kannst.
5. Geräusche gezielt umlenken
Wenn du merkst, dass der Lärmpegel steigt, kannst du reagieren, bevor du explodierst. Versuch es mit:
- Musik anmachen: Entweder beruhigend für dich oder ein Lied, das die Kinder tanzen lässt
- Lautes Spiel ins Draußen verlagern: „Komm, schrei doch mal gegen den Wind!“
- Kissen-Schrei-Ecke: „Wenn du laut sein willst, mach das hier rein!“
Kinder müssen sich ausdrücken. Aber du darfst mitgestalten, wo das passiert.
6. Nach dem Sturm: Wieder runterkommen
Wenn der Trubel vorbei ist, nimm dir bewusst einen Moment. Setz dich. Atme. Trink ein Glas Wasser. Leg die Hand aufs Herz. Sag dir selbst: „Es war anstrengend. Aber ich hab’s geschafft.“
Diese bewussten Übergänge helfen deinem Nervensystem, wieder runterzufahren. Und du stärkt dich selbst mit Anerkennung.
7. Tägliche Rituale für deine Mitte
Um bei dir zu bleiben, brauchst du keine halbe Stunde am Tag. Aber du brauchst kleine, regelmäßige Anker:
- 5 Minuten früh morgens: Fenster auf, atmen, Gedanken sortieren
- 1 Minute vorm Spiegel: Dir in die Augen schauen und lächeln
- 10 Minuten am Abend: Alles rausschreiben, was dich beschäftigt
Diese Rituale sind wie mentale Vitaminspritzen. Sie schützen dich nicht vor Lärm. Aber sie machen dich robuster darin, damit umzugehen.
8. Was, wenn es trotzdem knallt?
Dann bist du menschlich. Punkt. Niemand bleibt immer ruhig. Niemand hat alles im Griff. Wenn du ausrastest, schreist oder heulst – es ist nicht das Ende. Es ist ein Zeichen, dass du auch bedürftig bist.
Sag deinem Kind (später, wenn es passt): „Es war mir zu viel. Ich war überfordert. Es tut mir leid.“ Das ist keine Schwäche. Das ist gelebte Gefühlsarbeit. Und Kinder lernen dadurch, dass auch Große nicht perfekt sein müssen.
Fazit: Laut bleibt’s. Aber du bleibst bei dir.
Du kannst den Lärm nicht wegzaubern. Aber du kannst lernen, inmitten des Chaos bei dir zu bleiben. Mit Atem, Achtsamkeit, Mini-Pausen und ganz viel Nachsicht für dich selbst.
Deine Kinder brauchen keine unerschütterliche Ruhepol-Eltern. Sie brauchen authentische Erwachsene, die wissen, wie sie sich selbst beruhigen. Das ist der wahre Schatz im Familienlärm.