Willkommen in unserem Alltag mit vier Elternteilen – ein bisschen wie Gruppenarbeit in der Schule, nur mit mehr Emotionen, mehr WhatsApp-Nachrichten und definitiv mehr Terminkalendern. Wenn du denkst, das klingt nach Chaos: Willkommen im Club. Aber es geht. Ehrlich! Und manchmal sogar erstaunlich gut.
Ich nehm dich mal mit in unsere Welt, wo vier Erwachsene für zwei Kinder mitdenken, mitreden, mitplanen – und dabei irgendwie versuchen, ein funktionierendes System zu bauen. Mit klaren Zuständigkeiten, Absprachen, Rücksicht – und jeder Menge Geduld. Und mit der Bereitschaft, das eigene Ego manchmal in die Ecke zu stellen.
Familienkonferenz mit vier Stimmen: Wer gehört überhaupt dazu?
In unserem Fall sieht es so aus: Mein Partner und ich leben mit meinen zwei Kindern aus erster Ehe. Sein Sohn ist am Wochenende bei uns. Und dann sind da noch mein Ex – der Papa meiner Kids – und seine neue Frau. Also: vier Erwachsene, drei Kinder, zwei Haushalte. Eine Familie – irgendwie.
Und alle haben Meinung. Zu Schulfragen, zu Medienzeit, zu Geburtstagsfeiern, zu Ferienplanung. Manchmal sogar gleichzeitig. Was uns gerettet hat? Das Bewusstsein, dass Mitreden nicht immer gleich Entscheiden heißt. Und dass es wichtig ist, die Rollen klar zu definieren – wer ist Ansprechpartner für was, wer trägt welche Verantwortung?
Die erste goldene Regel: Wer lebt, der lenkt
Klingt banal, war aber unser Gamechanger. Grundregel: Entscheidungen des Alltags trifft der Elternteil, bei dem das Kind gerade lebt. Punkt.
Wenn mein Sohn montags bis freitags bei uns ist, dann legen wir fest, wann er ins Bett geht, wie lange er am Handy ist und ob er am Mittwoch zum Training kann. Der Papa kann Wünsche äußern – aber entscheiden tun wir.
Andersrum genauso: Wenn die Kinder beim Papa sind, mischen wir uns nicht ein. Kein „Warum muss er denn so spät ins Bett?“ Kein „Ich find’s blöd, dass sie schon TikTok darf“. Vertrauen statt Kontrolle. Auch wenn’s manchmal schwerfällt. Das gilt vor allem bei Freizeitgestaltung, Essgewohnheiten und kleinen Erziehungsfragen.
Die zweite Regel: Grundsatzentscheidungen gehen an alle
Das betrifft Schule, medizinische Fragen, Umzüge, größere Anschaffungen oder die Frage: Soll das Kind ein Smartphone bekommen? Da heißt es dann: alle an einen Tisch – oder zumindest in eine WhatsApp-Gruppe.
Und ja, das ist manchmal ein organisatorischer Kraftakt. Jeder hat eigene Vorstellungen, Vorurteile, Unsicherheiten. Wir haben gelernt, zuerst zuzuhören, dann zu diskutieren – und erst dann zu entscheiden. Konsens ist das Ziel. Wenn das nicht klappt, dann zumindest ein tragbarer Kompromiss.
Klare Rollen statt Konkurrenz
Das funktioniert nur, wenn jeder weiß: Ich bin wichtig – aber nicht allein verantwortlich. Die neue Partnerin meines Ex ist keine Ersatz-Mama. Ich bin die Mama. Aber sie ist eine wichtige Bezugsperson, die unser Familienleben mitgestaltet.
Umgekehrt ist mein Partner für meine Kinder kein „Stiefmonster“, sondern ein stabiler Alltagsanker. Auch wenn er nicht alles entscheidet. Vor allem bei sensiblen Themen wie Schule oder Krankheit halten wir uns an die Linie: Die leiblichen Eltern sprechen zuerst.
Diese Klarheit in der Rollenverteilung hat uns viele unnötige Konflikte erspart. Es nimmt auch Druck raus, wenn alle wissen, dass sie nicht alles absegnen müssen – sondern im Rahmen ihrer Rolle handeln dürfen.
Kommunikation – zwischen nervig und notwendig
Ehrlich gesagt: Manchmal hab ich keine Lust mehr, alles abzustimmen. Dann möchte ich einfach entscheiden, ohne Rückfragen. Aber sobald ich’s mache, knallt’s. Also kommunizieren wir. Viel. Oft auch zu viel. Aber lieber ein Info zu viel als zu wenig.
Wir haben eine gemeinsame Familiengruppe für die wichtigsten Infos. Und getrennte Kanäle, wenn es um Exklusiv-Themen geht. Geburtstage der Kinder planen wir in Doodles. Ferien über Trello. Manchmal fühle ich mich wie eine Projektmanagerin mit Schwerpunkt Familienkoordination.
Und es ist okay, wenn auch mal etwas schiefläuft. Dann sagen wir: „Sorry, das ist uns durchgerutscht.“ Kein Drama, kein Schuldzuweisen. Sondern ein ehrlicher Umgang mit der Tatsache, dass wir alle Menschen sind – mit vollen Kalendern und begrenzten Nerven.
Und wenn’s kracht? Willkommen im echten Leben
Natürlich sind wir nicht immer einer Meinung. Es gibt Diskussionen, Verletzungen, alte Wunden, Eifersucht. Aber wir versuchen, sachlich zu bleiben. Wenn es gar nicht geht, holen wir uns eine neutrale Perspektive – eine Beratungsstelle oder einen Familiencoach.
Manchmal schreiben wir uns Briefe, wenn ein direktes Gespräch zu emotional wäre. Oder wir schicken Sprachnachrichten, um den Tonfall besser zu transportieren. Und manchmal hilft einfach ein gemeinsames Essen, bei dem alle Seiten an einem Tisch sitzen – ohne Handy, ohne Vorwürfe, nur mit dem Wunsch, wieder in einen guten Dialog zu kommen.
Die Kinder – mittendrin und doch geschützt
Unsere wichtigste Regel lautet: Kinder sind keine Boten. Sie müssen nichts ausrichten, keine Wünsche überbringen, keine Nachrichten transportieren. Das machen wir Erwachsenen – so schwer es auch manchmal ist.
Und wir entscheiden auch nicht über ihren Kopf hinweg. Wir holen sie ins Boot, fragen nach ihrer Sicht. Aber: Entscheidungen treffen wir. Damit sie Kind bleiben dürfen. Ohne Verantwortung für Dinge, die sie überfordern würden.
Was uns hilft: kindgerechte Sprache. Kein „Wir müssen das mit Papa klären“, sondern „Lass uns mit Papa darüber sprechen, was für dich am besten ist“. So fühlen sie sich gehört – ohne die Bürde, zwischen den Fronten zu stehen.
Rituale, die helfen – und verbinden
Bei uns gibt’s gemeinsame Rituale, die für alle gelten – egal in welchem Haushalt. Das kann ein gemeinsamer Wochenplan sein, das kann ein Familientreffen zum Schuljahresbeginn sein oder ein „neutraler Ort“ wie ein Café, wo wir einmal im Quartal Dinge besprechen.
Ein Highlight ist unser „Patchwork-Picknick“ im Sommer. Da kommen alle – inklusive Großeltern, Tanten, Bonusgeschwistern – zusammen. Jeder bringt was mit. Kein großes Programm, aber viel Lachen, viel Austausch. Und die Kinder sehen: Wir sind zwar nicht klassisch, aber wir sind verbunden.
Patchwork ist Teamarbeit – mit vier Stimmen, aber einem Ziel
Am Ende geht’s nicht darum, wer sich durchsetzt. Sondern darum, dass die Kinder sich sicher fühlen. Dass sie wissen: Die Erwachsenen kümmern sich. Auch wenn sie nicht immer einer Meinung sind.
Ich hätte nie gedacht, dass das mal so funktionieren kann. Klar, es ist viel Arbeit. Viel Reden. Viel Planen. Aber es lohnt sich. Weil die Kinder spüren, dass sie nicht zerrieben werden zwischen den Erwachsenen. Sondern gehalten.
Und weil auch wir Erwachsenen lernen. Über uns. Über Kompromisse. Und darüber, dass Familie nicht immer einfach ist – aber oft verdammt schön. Es gibt Rückschläge, ja. Aber auch viele kleine Siege: Wenn ein Kind sagt „Ich freu mich auf beide Zuhause“. Wenn die Ex-Partnerin ein Kompliment für den Geburtstagskuchen macht. Wenn wir vier gemeinsam an einem Tisch sitzen – nicht perfekt, aber echt.
Patchwork ist kein Plan. Es ist ein Prozess. Und jeder Schritt Richtung Verständnis, Respekt und Miteinander zählt.