Ein Tag ohne Bildschirm, ohne WLAN, ohne Handygebrumme – klingt erstmal wie ein kleiner Albtraum im Familienalltag. Aber wir wollten wissen: Wie ist das eigentlich, wenn man 24 Stunden komplett offline ist – als Familie, mit Kindern, Verpflichtungen, Langeweile und spontanen Ideen? Und vor allem: Was passiert, wenn Technik mal keine Rolle spielt?
Warum wir uns darauf eingelassen haben
Die Idee kam – wie so vieles bei uns – spontan beim Abendessen. Irgendjemand hatte mal wieder sein Handy neben dem Teller liegen, der Fernseher dudelte im Hintergrund, der Große wollte „nur kurz noch was googeln“ und ich fühlte mich plötzlich wie Moderatorin einer Dauer-Multitasking-Show. Da platzte es aus mir raus: „Was wäre eigentlich, wenn wir mal einen ganzen Tag komplett ohne Technik wären?“
Alle schauten mich an, als hätte ich vorgeschlagen, aufs Atmen zu verzichten. Doch dann kam der Reiz. Der Gedanke. Das „Vielleicht gar nicht so schlecht“-Gefühl. Und wir beschlossen: Wir probieren es aus. Ein Samstag, 24 Stunden, keine Bildschirme, keine Musik aus der Box, keine Smartwatch, kein gar nichts. Nur wir.
Die Vorbereitung: Technikfreie Zone mit Hindernissen
Klingt erstmal einfach – aber wenn man genauer hinschaut, merkt man schnell: Technik steckt überall. Also hieß es erstmal, gründlich durch den Tag zu planen. Wir haben Handys ausgeschaltet und in eine Box gelegt. Tablets gleich dazu. Fernseher ausgesteckt, Alexa verabschiedet, alle Ladegeräte entfernt. Sogar die Küchenuhr wurde abgedeckt – die zeigt nämlich digital die Uhrzeit.
Dann die Regeln:
- Kein Bildschirm, kein Streaming, kein „nur mal kurz was googeln“
- Kein Radio, keine Musikbox, keine Hörspiele
- Nur analoge Uhren erlaubt
- Fotos nur mit Einwegkamera (ja, die haben wir extra gekauft)
Wir haben uns vorgenommen, einfach mit dem zu leben, was wir zur Hand hatten. Bücher, Spiele, Papier, Stifte, Fantasie. Und ja, auch ein paar Nervennahrungsvorräte – für den Fall, dass jemand Entzugserscheinungen bekommt.
Der Morgen: Stille, Kaffee und ein bisschen Unsicherheit
Normalerweise startet unser Samstag mit Kinderfernsehen, Mails checken, nebenbei Brötchen aufbacken mit Lieblingsplaylist. Diesmal war alles anders. Kein Klingelton weckte uns, sondern der Wecker meines Mannes (so ein richtig alter, mit Zeigern!).
Der Kaffee wurde ungewohnt leise zubereitet. Niemand scrollte. Niemand tippte. Stattdessen: Blickkontakt am Frühstückstisch. Die Kinder wussten nicht so recht, wohin mit sich. Wir Eltern ehrlich gesagt auch nicht. Aber dann kam Bewegung rein: Butter wurde gereicht, die Kinder kicherten über Krümelkunstwerke auf dem Tisch und wir redeten tatsächlich miteinander. Ohne Ablenkung. Einfach so.
Der Vormittag: Ideen sprudeln, Langeweile klopft
Nach dem Frühstück kam die erste große Herausforderung: Was jetzt? Kein YouTube, kein Kinderpodcast, keine WhatsApp-Sprachnachricht von Oma. Stattdessen: „Mir ist langweilig“ im Chor.
Wir hatten damit gerechnet. Also holten wir unsere Spielesammlung raus. Erst UNO, dann „Wer war’s?“ und später sogar ein verstaubtes Puzzle. Anfangs waren alle etwas skeptisch, aber mit der Zeit wurde daraus ein echtes Gemeinschaftsprojekt.
Dann griff unser Jüngster zur Gitarre, die eigentlich mehr Dekoration ist als Instrument. Und siehe da: Mit ein bisschen Fantasie und drei gegriffenen Tönen wurde daraus ein Wohnzimmerkonzert. Singen inklusive. Wir klatschten, lachten – und vergaßen zum ersten Mal, dass etwas „fehlte“.
Mittagessen ohne Musik und Rezept-App
Normalerweise läuft beim Kochen ein Hörbuch oder das Radio. Rezepte kommen oft vom Handy. Diesmal: Stille Küche und Zettelwirtschaft. Wir haben in alten Kochbüchern gestöbert, was Einfaches rausgesucht und alle in die Vorbereitung eingebunden. Die Kinder schnippelten Gemüse, mein Mann würzte intuitiv und ich versuchte, nicht alles zu koordinieren, sondern einfach laufen zu lassen.
Das Essen schmeckte – vielleicht nicht spektakulär, aber echt. Und am wichtigsten: gemeinsam gekocht, gemeinsam gegessen, gemeinsam gelacht. Ganz ohne Display.
Der Nachmittag: Aufbruch in die Natur – und eine neue Perspektive
Nach dem Mittagessen wollten wir raus. Normalerweise würden wir kurz das Wetter checken, einen Park bei Google Maps suchen oder unterwegs Musik hören. Diesmal haben wir einfach beschlossen: Wir gehen los. Ohne Plan, ohne Ziel.
Wir haben eine Decke mitgenommen, ein bisschen Obst eingepackt und sind Richtung Wiese spaziert. Der Weg war ungewohnt ruhig – keine Kopfhörer, kein „Mom, wie lange noch?“, sondern Gespräche. Über Ameisen, über Wolken, über Schule und Urlaubsträume.
Auf der Wiese haben wir ein Picknick gemacht, „Ich sehe was, was du nicht siehst“ gespielt, gepflückt, gesammelt, gelacht. Und als wir zurückkamen, waren wir so müde und zufrieden, wie sonst nur nach einem Urlaubstag.
Der Abend: Zwischen Verzicht und echter Nähe
Normalerweise läuft abends irgendeine Serie, die Kinder dürfen ein Hörspiel hören, wir checken nochmal Mails, Insta, News. Aber diesmal: nichts davon. Stattdessen wurde vorgelesen. Erst den Kleinen, dann die Großen. Wir lagen auf dem Sofa, alle unter einer Decke, ein Elternteil las, die anderen hörten zu. Es war… magisch. So ruhig, so vertraut, so nah.
Später haben wir Kerzen angezündet, ein paar alte Fotoalben durchgeschaut (ja, die auf Papier!), über Kindheitserinnerungen geredet und zum Abschluss eine Runde „Was war heute dein Lieblingsmoment?“ gemacht. Jeder hatte etwas zu sagen. Kein „weiß nicht“, kein Schulterzucken.
Die Nacht – und ein bisschen Vermissen
Als die Kinder schliefen, saßen wir noch da. Nur wir zwei. Kein Film, kein Scrollen, kein „Ich muss noch kurz was erledigen“. Und ja, da war auch ein Hauch von Vermissen. Die gewohnte Reizflut fehlte. Aber gleichzeitig war da dieses warme Gefühl von Ruhe. Von „das hier zählt gerade“.
Wir haben uns unterhalten. Über uns. Über Dinge, die sonst zwischen Terminen und Technik untergehen. Über Zukunft, Alltag, Träume. Und am Ende war da nicht das Gefühl, auf etwas verzichtet zu haben – sondern, etwas gewonnen zu haben.
Das Fazit: Würden wir’s wieder tun?
Oh ja. Nicht jede Woche. Aber regelmäßig. Einmal im Monat vielleicht. Vielleicht auch nur für ein paar Stunden. Aber ganz bewusst. Weil es uns gezeigt hat:
- Wie oft wir aus Gewohnheit zur Technik greifen – und wie wenig wir sie wirklich brauchen
- Wie kreativ Kinder werden, wenn Langeweile erlaubt ist
- Wie viel Nähe entsteht, wenn nichts anderes ablenkt
- Wie sehr wir alle davon profitieren, wenn wir wirklich präsent sind
Am nächsten Tag, als die Handys wieder angingen, waren wir irgendwie vorsichtiger. Kein sofortiges Draufstarren. Kein endloses Scrollen. Wir haben etwas mitgenommen aus diesen 24 Stunden – etwas, das kein Bildschirm je ersetzen kann.
Und wer weiß: Vielleicht planen wir demnächst mal ein ganzes Wochenende. Offline. Echt. Und richtig schön.