Es gibt diese Tage – und die gibt es bei uns ehrlich gesagt ziemlich oft – da frage ich mich abends auf dem Sofa, wie ich diesen wilden Ritt eigentlich wieder überlebt habe. Der Wecker klingelt viel zu früh, das Kind will nicht aus dem Bett, der Kaffee ist leer, die Brotdose vom Vortag schimmelt munter vor sich hin – und irgendwo zwischen Matheheft, Job, Kita-Zettel und Wäschebergen stehe ich. Alleinerziehend. Mit einem Kind, zwei Händen, null Superkräften und einer To-do-Liste, die eher an ein Endlos-Excel erinnert.
Aber weißt du was? Ich bin noch da. Ich stehe jeden Morgen wieder auf. Und ich habe im Laufe der Zeit meine ganz persönlichen Kraftquellen entdeckt – nicht weil ich ein Coaching gemacht oder ein Achtsamkeitsseminar besucht hätte (wäre schön gewesen…), sondern weil ich sonst einfach untergegangen wäre.
Der Start: Vom Funktionieren ins Fühlen
Als ich frisch alleinerziehend war, habe ich erstmal nur funktioniert. Zack, weiter, nicht nachdenken, einfach machen. Klar, das ist manchmal nötig. Aber es laugt auch aus. Und irgendwann kam der Moment, wo ich nachts wach lag und dachte: „So kann das doch nicht weitergehen.“ Ich hatte kein Ich mehr in diesem Familienkonstrukt. Nur noch ein Funktionieren. Ich war Managerin, Köchin, Seelentrösterin, Paketbotin und Streitschlichterin in einem – aber nicht mehr einfach nur ich.
Also habe ich angefangen, mir Fragen zu stellen: Was tut MIR gut? Was bringt mir Energie zurück, anstatt sie mir zu rauben? Und wie schaffe ich es, dass mein Kind mich als lebendiges Vorbild erlebt – nicht als gehetzte Dauerverwalterin? Diese Fragen waren unbequem, aber sie haben mich auf einen neuen Weg gebracht – einen, auf dem ich mich selbst nicht mehr am Rand, sondern wieder in der Mitte meines Lebens sehe.
Kleine Pausen, große Wirkung
Die erste Kraftquelle war so banal wie wirkungsvoll: Pause machen. Keine Wellness-Oase, kein 3-Stunden-Yoga-Flow – sondern ganz pragmatisch: 10 Minuten auf dem Balkon, mit einer Tasse Tee. Musik auf den Ohren. Oder im Badezimmer die Tür zumachen und kurz tief durchatmen. Manchmal ist es auch einfach der Moment, in dem ich das Handy weglege, die Augen schließe und drei Mal bewusst tief durchatme. Klingt lächerlich einfach – wirkt aber Wunder.
Ich habe aufgehört, auf den perfekten Moment zu warten („Wenn das Kind schläft“, „Wenn alles aufgeräumt ist“, „Wenn ich mal einen ganzen Tag frei habe“) und stattdessen Mini-Momente gesucht. Und diese kleinen Inseln haben etwas verändert. Sie haben mir das Gefühl zurückgegeben, dass auch ich in diesem Alltag existiere. Ich bin nicht nur die, die alles zusammenhält – ich bin auch die, die eine Pause verdient hat.
Hilfe annehmen – nicht heldenhaft, sondern menschlich
Eine der schwersten, aber wichtigsten Lektionen: Ich muss nicht alles alleine schaffen. Ja, ich bin alleinerziehend – aber nicht allein auf dieser Welt. Das war für meinen Stolz erstmal eine ziemliche Herausforderung. Ich dachte lange, dass ich scheitere, wenn ich Hilfe brauche. Heute weiß ich: Ich wachse, wenn ich sie annehme.
Ich habe angefangen, offen um Hilfe zu bitten. Freunde, Familie, Nachbarn – manchmal sogar wildfremde Menschen an der Supermarktkasse, wenn mir alles aus dem Arm gefallen ist. Das war anfangs unangenehm, weil ich dieses Bild im Kopf hatte, dass ich das doch alles alleine wuppen muss. Aber je öfter ich es gemacht habe, desto mehr habe ich gemerkt: Menschen helfen gern. Und es macht mich nicht kleiner – im Gegenteil. Es macht mich stärker, weil ich ehrlich bin. Es macht mich auch nahbarer – und hat mir neue, unerwartete Verbindungen beschert. Plötzlich war da die Nachbarin, die mein Kind mit zur Schule nimmt. Oder der Arbeitskollege, der mich fragt, wie es mir wirklich geht.
Rituale, die mich tragen
Ich habe für mich und mein Kind kleine Rituale geschaffen, die uns strukturieren – aber auch Wärme geben. Zum Beispiel unser „Müde-gute-Nacht-Tanz“, bei dem wir uns wie Roboter bewegen, bis wir umfallen. Oder das Sonntagmorgen-Frühstück im Bett (ja, auch mit Krümeln). Diese Rituale geben uns beiden Halt – und mir das Gefühl, nicht nur zu funktionieren, sondern bewusst zu gestalten. Es sind kleine Leuchttürme im Alltag, die uns Orientierung geben.
Wir haben auch ein Abendritual eingeführt, bei dem wir drei Dinge sagen, für die wir dankbar sind. Mein Kind sagt dann Dinge wie „Dass du mit mir Lego gebaut hast“ oder „Dass es heute Pfannkuchen gab“. Diese Momente lassen mich spüren: Wir sind ein Team. Und das gibt mir mehr Energie als jede Tasse Kaffee.
Bewegung als Energiespender – auch wenn’s nur der Weg zur Kita ist
Sport im klassischen Sinn? Schön wär’s. Aber mit einem Kind und ohne Oma um die Ecke schlicht utopisch. Was ich aber mache: Bewegung in meinen Alltag einbauen. Zu Fuß zur Kita, Treppen statt Aufzug, Tanzen beim Abwasch. Ich habe gelernt, Bewegung nicht als „noch ein Punkt auf der Liste“ zu sehen, sondern als Tool gegen das Gedankenkarussell.
Wenn wir im Park Fangen spielen, spüre ich wieder: Ich lebe. Und manchmal ist das genau die Kraftquelle, die ich gebraucht habe. Oder ich mache mit meinem Kind eine Yoga-Einheit für Kinder auf YouTube – nicht perfekt, nicht leise, aber wir lachen und bewegen uns. Auch das zählt. Bewegung ist für mich kein Fitnessziel – sie ist meine Rückversicherung gegen den Alltagssog.
Zeit mit Menschen, die mich aufladen
Es gibt Menschen, nach einem Treffen mit ihnen fühlst du dich wie ein leerer Akku. Und es gibt andere, bei denen du danach grinst wie ein Honigkuchenpferd. Früher habe ich aus Pflichtgefühl viele Kontakte gepflegt, die mir eigentlich Energie geraubt haben. Heute bin ich da radikaler.
Ich verbringe Zeit mit Menschen, die mir guttun. Die ehrlich sind, nicht perfekt. Die auch mal sagen: „Puh, heute ist’s hart.“ Und bei denen ich auch sagen darf: „Ich kann grad nicht.“ Einmal im Monat treffe ich mich mit zwei anderen Mamas zum „Wäschekorb-Abend“ – wir sitzen zwischen halbgefalteter Wäsche, trinken Wein und reden über alles. Keine perfekte Kulisse, aber echte Verbindung. Und genau das brauche ich.
Der Blick für das Gute – auch wenn’s schwerfällt
Klingt kitschig, aber ist mein Rettungsanker: Ich schreibe mir jeden Abend drei Dinge auf, die gut waren. Manchmal ist das nur: „Kind hat Brokkoli probiert“, „Ich habe meine Lieblingsjeans wiedergefunden“ oder „Niemand hat heute geschrien“. Aber es ändert meinen Fokus. Und manchmal merke ich dadurch erst, wie viel Gutes in meinem Chaos steckt.
Diese Übung hat mir geholfen, die kleinen Erfolge zu sehen – die, die im Alltagsstrudel sonst untergehen. Wenn ich das Heft durchblättere, entdecke ich so viele schöne, unspektakuläre Momente: Ein Lächeln, ein Kompliment vom Erzieher, ein entspannter Abend auf dem Sofa. Und plötzlich denke ich: So schlecht läuft es gar nicht.
Selbstfürsorge ist kein Luxus
Das habe ich lange nicht verstanden. Ich dachte, ich müsse alles für mein Kind geben – und habe dabei mich selbst vergessen. Aber ich habe gelernt: Wenn ich leer bin, kann ich nichts geben. Also sorge ich vor. Und sei es nur, dass ich abends statt Wäsche zusammenlegen ein Buch lese. Oder mir ab und zu eine Massage gönne (ja, das Geld ist knapp – aber meine Schultern danken es mir).
Ich plane Selbstfürsorge heute wie einen Arzttermin ein. Weil sie genauso wichtig ist. Und weil mein Kind es auch mitbekommt – und lernt: Mama darf sich um sich kümmern. Mama ist auch wichtig. Ich will, dass mein Kind eine starke Frau erlebt, die weiß, wann sie auftanken muss – und sich das auch zugesteht.
Der Mut zur Imperfektion
Früher dachte ich, ich müsse alles richtig machen. Heute denke ich: Ich mache es richtig, weil ich es mache. Mein Kind braucht keine perfekte Mutter. Es braucht eine echte. Eine, die auch mal flucht, die auch mal weint – und die trotzdem immer wieder aufsteht.
Das zu akzeptieren war vielleicht meine größte Kraftquelle. Weil es mir erlaubt, einfach ich zu sein. Nicht Superwoman. Sondern eine Frau mit Herz, Humor und einer Riesenportion Liebe. Ich habe aufgehört, mich mit Insta-Mamas zu vergleichen, deren Wohnzimmer immer wie aus dem Katalog aussieht. Mein Wohnzimmer sieht aus wie gelebt – und das ist okay. Mein Leben ist keine Show, sondern mein echtes, schönes, wildes Chaos.
Mein Fazit
Alleinerziehend zu sein ist oft ein Kraftakt. Aber es ist auch eine Reise zu sich selbst. Ich habe Seiten an mir kennengelernt, von denen ich nicht mal wusste, dass sie existieren. Und ich habe gelernt, meine Kraft nicht in großen Heldentaten zu suchen – sondern in kleinen Momenten des Innehaltens, Verbindens und Loslassens.
Wenn du also auch manchmal das Gefühl hast, unterzugehen: Halt kurz inne. Atme durch. Und such dir deine eigene kleine Kraftquelle. Vielleicht ist sie näher, als du denkst. Vielleicht liegt sie in einem Lächeln, einem Lied, einem Tee. Vielleicht liegt sie in dir.