Besondere FamilienformenGroßeltern als ElternteilWie wir als Großeltern wieder Windeln wechseln lernten

Wie wir als Großeltern wieder Windeln wechseln lernten

Vom Rentnerleben zum Wickeltisch: Unser zweiter Start mit Puder, Popo-Creme und Pipi-Alarm

Mit Anfang 60 dachten wir eigentlich, wir hätten das Kapitel Windeln für immer abgeschlossen. Unsere Kinder waren längst groß, wir hatten unser letztes „Mama, ich hab gemacht!“ vor Jahrzehnten gehört, und die Wickeltasche war ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Doch dann kam das Leben dazwischen – und mit ihm ein kleiner Mensch, der unser Leben auf den Kopf stellte und unseren Alltag wieder duftender, lauter und nässer machte, als wir es je erwartet hätten. Wir tauschten Kreuzworträtsel gegen Krabbeldecke und Thermoskanne gegen Thermometer.

Der Moment, der alles veränderte

Es war ein Morgen wie jeder andere. Kaffee, Zeitung, ein wenig Gartenarbeit stand auf dem Plan. Und dann kam dieser Anruf. Unsere Tochter, alleinerziehend, steckte in einer akuten Krise. Ob wir ihren acht Monate alten Sohn übergangsweise aufnehmen könnten? Ohne viel nachzudenken sagten wir zu. Und plötzlich standen wir vor einem Kinderbett im Gästezimmer, das noch am selben Tag aufgebaut werden musste. Die Ruhe war vorbei. Die Windelzeit begann – mit allem, was dazugehört: Babygeschrei, schlaflosen Nächten und dieser ganz eigenen Mischung aus Überforderung und bedingungsloser Liebe.

Unser erstes Mal (wieder): Wickeln mit Wackelknie

Es ist erstaunlich, wie viel man verlernt. Die erste Windel war ein echtes Abenteuer. „Welche Seite ist vorn?“ „Warum hat das Ding so viele Laschen?“ Und: „Wann war nochmal der richtige Zeitpunkt für Puder?“ Wir standen da wie blutige Anfänger, während unser kleiner Enkel uns mit seinen großen Augen ansah, als wollte er sagen: „Na los, ihr schafft das schon.“

 

Mit einem YouTube-Video („Windel wechseln für Dummies“), einer Portion Mut und ganz viel Humor legten wir los. Das erste Mal war chaotisch, die Windel verkehrt herum, die Hose voll, wir verschwitzt. Aber hey – wir hatten es geschafft. Ein bisschen unorthodox, aber immerhin funktional. Danach gönnten wir uns erst mal eine Tasse Kaffee – die letzte warme an diesem Tag.

Wickeln 2.0: Zwischen Hightech-Windeln und Bio-Feuchttüchern

Früher war das Wickeln ein simples Ding: Mullwindel, Stecknadel, fertig. Heute gibt’s Windeln mit Feuchtigkeitsindikator, atmungsaktive Materialien, hypoallergene Cremes und sogar beheizte Wickelunterlagen. Wir fühlten uns wie in einer Babyabteilung bei NASA. Dazu kamen etliche Empfehlungen aus dem Internet – jede zweite Mutter scheint Influencerin zu sein.

Anfangs waren wir überfordert. Welche Marke? Was ist wichtig? Was unnötig? Nach einigen Fehlkäufen, roten Popos und einer Lektion in Feuchttuch-Inhaltsstoffen fanden wir unseren Weg. Wir lernten, dass nicht die schickste Windel, sondern die passendste entscheidend ist. Und dass ein entspannter Umgang mit Missgeschicken das Leben enorm erleichtert. Was half, waren klare Routinen und ein gutes Maß an Selbstironie.

Wickelkommoden-Geschichten: Kleine Dramen und große Lacher

Es gibt sie, diese Wickelmomente, die bleiben. Zum Beispiel der Tag, an dem wir dachten, die Windel wäre fest – war sie aber nicht. Drei Sekunden später hatten wir das volle Programm: Pipi auf dem frischen T-Shirt, Baby lachend, wir leicht entnervt. Oder als der Kleine sich im falschen Moment umdrehte und wir einen gezielten Tritt ins Feuchttuchpaket kassierten – direkt ins volle Wasser.

Oder die Nummer mit der „Windel-Challenge“: Wer schafft es, in unter zwei Minuten eine neue Windel anzulegen, ohne dass jemand weint – weder Baby noch Wickelnder? Spoiler: Wir arbeiten noch dran. Aber solche Szenen machten aus einem anstrengenden Alltag etwas, über das wir heute schmunzeln können. Und wir fingen an, die schönen Momente festzuhalten – in Fotos, in kleinen Geschichten, die wir abends beim Tee einander erzählten.

Wie wir unsere Routine fanden

Mit der Zeit wurde es leichter. Wir fanden einen Rhythmus: nach dem Füttern, nach dem Mittagsschlaf, vor dem Schlafengehen. Wir hatten Wickelzonen in mehreren Zimmern, eine Notfall-Wickeltasche im Auto und immer Ersatzklamotten dabei. Das Leben wurde planbarer, wenn auch nie planmäßig. Was vorher chaotisch erschien, bekam Struktur.

Was uns half? Listen, Humor, und die Bereitschaft, jeden Tag neu zu lernen. Ja, wir waren nicht mehr die Jüngsten. Aber wir hatten Geduld, Erfahrung und ganz viel Liebe. Und irgendwann merkten wir: Wir sind wieder mitten drin im Elternsein. Und dieses Mal mit dem Wissen, dass alles vorübergeht – auch die anstrengendsten Phasen.

Wir begannen sogar, anderen Großeltern Tipps zu geben. Einmal fragte uns eine Bekannte auf dem Spielplatz: „Ihr wickelt wirklich noch selbst?“ Unsere Antwort: „Ja. Und manchmal sogar mit Gesang.“

Windel wechseln und Bindung aufbauen

Wickeln ist mehr als nur Hygiene. Es ist ein Moment der Nähe, des Kontakts, des Vertrauens. Wir redeten mit ihm, sangen kleine Lieder, machten Quatsch. Diese Minuten wurden zu festen Ritualen. Es war unsere Zeit. Und wir spürten, wie sehr er uns vertraute. Wie er sich entspannte, lachte, uns beobachtete. Das war oft rührender als jeder Spaziergang oder Spielplatzbesuch.

Es war eine stille Form des Kennenlernens. Zwischen Popo-Creme und Schlafanzug entwickelte sich eine Bindung, die tiefer ging als jedes Spiel. Gerade an Tagen, an denen alles drunter und drüber lief, war das Wickeln der Moment, in dem wir uns wiederfanden – als Großeltern, als Menschen, die gebraucht werden.

Die kleinen Tricks, die groß helfen

  • Eine Spieluhr am Wickeltisch, damit die Hände frei bleiben.
  • Stoffwindeln als Unterlage – einfacher zu waschen, angenehmer für die Haut.
  • Feuchttücher immer handwarm machen (im Winter Gold wert!).
  • Alles griffbereit legen, bevor man loslegt. Nichts ist schlimmer als mit offenem Body durchs Haus zu rennen, weil die Creme fehlt.
  • Ein Körnerkissen für die kalten Tage – unter der Wickelunterlage ein Segen.
  • Ein lustiger Spiegel über dem Wickelplatz: lenkt ab und bringt beide zum Lachen.

Mit der Zeit wurden wir richtig routiniert. Und sogar ein bisschen stolz. Wenn andere Großeltern uns fragten: „Wie haltet ihr das durch?“ konnten wir sagen: Mit Humor, Herz und einem guten Vorrat an Windeln in allen Größen. Manchmal sogar im Sonderangebot gekauft – gelernt ist gelernt.

Was wir dabei über uns gelernt haben

Wir dachten, wir wären zu alt für diesen Trubel. Aber wir haben entdeckt, dass wir mehr Energie haben, als wir uns selbst zugetraut hätten. Dass unsere Liebe zu unserem Enkel uns Flügel verleiht. Und dass wir nicht perfekt sein müssen, um gute (Groß-)Eltern zu sein. Nur echt. Nur da.

Wir lernten, uns Hilfe zu holen, wenn wir an unsere Grenzen stießen. Und wir merkten, wie sehr uns dieses neue Kapitel verbindet – auch als Paar. Während einer den Babybauch küsst, holt der andere frische Windeln. Es ist eine Teamleistung. Und eine Herzenssache.

Heute sagen wir: Danke, Windelzeit!

Ja, Windeln sind nicht glamourös. Aber sie sind ein Teil von etwas Großem. Sie stehen für Verantwortung, für Kümmern, für Nähe. Und dafür sind wir dankbar. Auch wenn der Wäscheberg manchmal bedrohlich hoch war und der Mülleimer seltsame Gerüche verströmte.

 

Unser Enkel hat uns gelehrt, dass man nie zu alt ist, Neues zu lernen. Und dass Liebe keine Altersgrenze kennt. Heute wechseln wir seltener Windeln – er wird langsam trocken. Aber die Erinnerungen bleiben. Und vielleicht, eines Tages, lachen wir gemeinsam über die Geschichten vom Wickeltisch.

Und wer weiß – vielleicht stehen wir in zwanzig Jahren wieder da, mit Tränen in den Augen und einem schmutzigen Strampler in der Hand. Weil dann unser Enkel sein erstes Kind wickelt. Und wir sagen: „Warte, wir zeigen dir, wie’s geht.“

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