Familie – das ist dieses bunte, wilde Konstrukt, bei dem alle irgendwie mitreden wollen. Jeder weiß es besser, viele wollen mitdefinieren, was „normal“ ist, und ganz besonders viel Meinung gibt’s, wenn zwei Mamas oder zwei Papas (oder ganz andere Konstellationen) das Familienleben rocken. Willkommen in unserer Realität: einer Regenbogenfamilie, die sich nichts lieber wünscht, als ganz normal verschieden zu sein.
Ich nehm dich heute mit in unseren Alltag. In den ganz normalen Wahnsinn zwischen Brotdosen, Kita-Zetteln, vergessenen Hausschuhen und abendlicher Gute-Nacht-Geschichte – und in die ganz besonderen Momente, in denen wir merken: Wir müssen gar nicht wie alle anderen sein. Wir dürfen unsere eigene Art von Familie leben. Und genau das macht es so besonders.
Hineingewachsen ins bunte Leben
Wir hatten keinen Masterplan. Keine Checkliste à la „So wirst du Regenbogenfamilie in 10 Schritten“. Es war eher wie bei den meisten Eltern: Ein Gefühl wuchs, eine Idee reifte, irgendwann war da dieser Wunsch – nach Familie, nach einem kleinen Menschen, der unser Leben teilt und völlig durcheinanderwirbelt.
Bei uns waren es zwei Frauen, also „Plan A“ mit klassischer Schwangerschaft war nur die halbe Wahrheit. Und selbst die war komplizierter als gedacht. Spermaspender finden, rechtliche Dinge klären, Gespräche mit Ärzt:innen, Entscheidungen treffen, die andere Paare nicht mal auf dem Radar haben. Wir haben Listen geschrieben, Foren gelesen, uns in Netzwerken ausgetauscht – und uns dabei immer wieder gefragt: Machen wir das richtig?
Aber: Wir haben’s gemacht. Weil unser Wunsch größer war als alle Hürden. Und auch wenn der Weg nicht gerade war, haben wir ihn gemeinsam gemeistert. Mit Zittern vor dem ersten Ultraschall, Freudentränen beim Herzschlag und jeder Menge Papierkram, der sich wie ein zweiter Job anfühlte.
Heute sind wir eine Mama-Mama-Kind-Familie. Und auch wenn wir manchmal auf Familienfeiern erklärt haben, dass wir „beide die Mamas sind“ oder bei Formularen regelmäßig verzweifeln („Wo trage ich die zweite Mutter ein, wenn da nur ‚Vater‘ steht?“) – wir wissen: Für unser Kind sind wir einfach seine Eltern. Und das ist alles, was zählt.
Was heißt eigentlich „normal“?
Eine der ersten Fragen, die uns gestellt wurden – oft gut gemeint, manchmal weniger – war: „Wie erklärt ihr das denn eurem Kind?“ Die Antwort ist einfach: gar nicht groß. Wir leben es einfach.
Kinder kommen nicht mit einem fertigen Familienmodell im Kopf auf die Welt. Sie sehen, was sie erleben. Und wenn bei uns zwei Mamas aufstehen, Frühstück machen, beim Einschlafen helfen, dann ist das für unser Kind genauso normal wie bei anderen die Mama und der Papa.
Klar, irgendwann kommen die Fragen. Vom Kind selbst oder von außen. Dann sagen wir: Es gibt viele verschiedene Familien. Manche mit Mama und Papa. Manche mit einer Mama. Manche mit zwei Papas. Manche mit Oma und Opa als Hauptbezugspersonen. Und wir? Wir sind so, wie wir sind. Und lieben dich von ganzem Herzen.
Es gab diesen einen Moment auf dem Spielplatz, da fragte ein anderes Kind ganz selbstverständlich: „Und wo ist dein Papa?“ Unser Kind zuckte mit den Schultern und antwortete: „Ich hab zwei Mamas.“ Die Reaktion? Ein Nicken und der Satz: „Ach so. Willst du trotzdem rutschen?“ – Bäm. Kinder regeln das.
Von Formularen, Fremdblicken und frechen Sprüchen
Das Leben in einer Regenbogenfamilie ist bunt – aber nicht immer rosarot. Gerade außerhalb unserer kleinen Familien-Bubble stoßen wir auf Bürokratie, Missverständnisse und manchmal sogar auf echte Ablehnung. Und das kostet Kraft. Jeden Tag ein kleines bisschen.
Die Bürokratie-Hölle
Stell dir vor: Du willst dein Kind im Kindergarten anmelden – und das Formular kennt nur „Mutter“ und „Vater“. Kein Platz für zwei Mütter. Kein Kästchen für „Co-Mama“. Und wehe, du willst ins Ausland reisen und bist nicht die „leibliche“ Mutter, dann brauchst du am besten gleich eine beglaubigte Vollmacht, einen Auszug aus dem Sorgerechtsregister und ein Lächeln, das auch noch durch drei Zollbeamt:innen hindurchwirkt. Willkommen im Abenteuer „Familie leben trotz Formularen“.
Selbst bei Arztterminen mussten wir teilweise erklären, dass wir beide sorgeberechtigt sind – trotz gemeinsamer Sorgerechtserklärung. Und nein, wir möchten uns nicht jedes Mal rechtfertigen, sondern einfach nur eine Impfung, bitte.
Die Blicke der anderen
Einkaufen gehen – eigentlich Alltag. Aber wenn du mit deiner Partnerin unterwegs bist, das Kind die eine Mama „Mama“ nennt und die andere auch – dann kommen schon mal schiefe Blicke. Oder Kommentare wie: „Ach, ist das die Tante?“ Oder das charmante: „Wer ist denn die richtige Mutter?“ (Spoiler: beide.)
Und ja, manchmal treffen uns diese Blicke. Nicht weil wir uns schämen – sondern weil unser Kind sie auch sieht. Und spürt. Und wir dann erklären müssen, dass andere Menschen manchmal einfach nicht viel über andere Familien wissen.
Die Sprücheklopfer
Einer unserer All-Time-Favorites: „Euer Kind wird’s mal schwer haben.“ Ach ja? Weil es von zwei Menschen geliebt wird, die sich entschieden haben, bewusst und voller Verantwortung Eltern zu sein? Dann wird’s wohl nicht am Modell liegen – sondern an Menschen, die glauben, Familie müsse immer gleich aussehen.
Wir wünschen uns manchmal, dass die Welt so akzeptierend wäre wie unser Kind. Oder wie seine Freunde. Oder wie die Erzieherin, die einfach sagte: „Hauptsache, das Kind wird geliebt.“
Unsere Stärken als Regenbogenfamilie
Was wir über die Jahre gelernt haben: Unsere Familienform bringt nicht nur Herausforderungen – sondern auch besondere Stärken mit.
Wir sind echte Kommunikationstalente geworden. Weil wir immer wieder erklären müssen, wie unser Alltag aussieht. Weil wir für Sichtbarkeit kämpfen. Weil wir unserem Kind Sprache an die Hand geben, um selbstbewusst zu erzählen: „Ich hab zwei Mamas – und das ist toll so.“
Wir sind kreativ. Im Organisieren, im Umgehen von Formularen, im Erklären auf Spielplatzniveau. Wir haben eigene Rituale geschaffen – von zwei Gute-Nacht-Liedern (eins von jeder Mama!) bis zur doppelten Umarmung am Morgen.
Und wir haben gelernt, uns selbst nicht zu ernst zu nehmen. Denn Humor ist manchmal die beste Antwort auf Unverständnis. Einmal antworteten wir auf die Frage: „Wer von euch ist denn der Papa?“ einfach mit: „Kommt drauf an, wer heute den Müll rausbringt.“ – Hat gewirkt.
Und vor allem: Wir sind stark. Als Paar. Als Eltern. Und als Familie.
Was wir uns wünschen – und was wir weitergeben wollen
Was bleibt nach all den Jahren? Neben Stapeln von selbst gemalten Bildern, Chaos im Kinderzimmer und einer Handvoll Haarspangen, die irgendwie überall auftauchen?
Ein ganz klares Gefühl: Familie ist da, wo Liebe ist. Punkt.
Und wir wünschen uns, dass genau das in den Köpfen der Menschen ankommt. Dass ein Kind nicht danach bewertet wird, ob seine Eltern Mann und Frau sind – sondern ob es Liebe, Geborgenheit, Sicherheit und Vertrauen erlebt.
Wir wünschen uns, dass Schulen, Behörden, Medien und die ganze Gesellschaft endlich verstehen: Vielfalt ist kein Trend. Sie ist Realität. Und sie ist gut so.
Und für alle, die auch Regenbogenfamilie leben (wollen): Bleibt mutig. Bleibt laut. Bleibt ihr. Denn ihr zeigt, dass Familie mehr sein kann als ein altes Klischee. Ihr lebt vor, was zählt. Ihr seid Vorbilder – ob ihr wollt oder nicht.
Wir teilen heute unsere Geschichte, weil Sichtbarkeit der Anfang ist. Weil jedes Kind es verdient hat, mit Stolz von seiner Familie erzählen zu können. Und weil wir glauben, dass eine offene Gesellschaft bei jeder Familie beginnt.
Fazit: Unser Weg ist nicht perfekt – aber er gehört uns
Vielleicht sind wir nicht das, was sich manche unter „klassischer Familie“ vorstellen. Aber ganz ehrlich? Wir wollen auch gar nicht klassisch sein. Wir wollen ehrlich, laut, liebevoll und manchmal ein bisschen chaotisch sein.
Wir wollen, dass unser Kind aufwächst mit dem Gefühl: Ich bin genau richtig. Mit meinen zwei Mamas. Mit meiner Familie. Und mit dem Mut, selbst seinen Weg zu gehen – egal, wie der aussehen mag.
Denn am Ende zählt nicht, wie eine Familie aussieht. Sondern wie sie sich anfühlt. Und wenn sich unsere Familie nach Wärme, Geborgenheit, Lachen und Halt anfühlt – dann machen wir alles richtig.