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Warum Mental Load nicht nur eine Elternsache ist

Mental Load betrifft nicht nur Eltern – sondern unsere ganze Gesellschaft

Wir Eltern kennen den Begriff inzwischen gut – manchmal zu gut. Mental Load, dieser ständige, unsichtbare Gedankenkarussell-Modus, hat sich bei uns regelrecht eingenistet. Aber mal ehrlich: Wäre es nicht langsam an der Zeit, dass wir aufhören, das als reines Elternproblem zu behandeln? Denn Mental Load ist viel mehr. Er ist ein gesellschaftliches Phänomen, das sich durch alle Lebensbereiche zieht – und das wir gemeinsam tragen (sollten).

Der Ursprung des Mental Load – und wie er sich ausweitet

Ursprünglich wurde Mental Load vor allem in der Elternwelt diskutiert – meist in Zusammenhang mit Müttern, die die gesamte Organisation des Familienalltags schultern. Doch wenn man genauer hinschaut, zeigt sich schnell: Auch außerhalb von Windeln, Brotdosen und Hausaufgabenlisten brodelt es im Kopf vieler Menschen. Mental Load steckt in Pflegearbeit, Beziehungsmanagement, Jobverantwortung und sogar in der Freizeitplanung.

 

Mental Load beginnt, wo Verantwortung diffus wird. Und das ist nicht exklusiv ein Elternproblem.

Unsichtbare Arbeit gibt’s auch jenseits der Familie

Nehmen wir mal Pflegeangehörige. Wer sich um die demente Mutter oder den pflegebedürftigen Onkel kümmert, trägt genauso diesen unsichtbaren Rucksack. Medikamente planen, Arzttermine koordinieren, rechtliche Fragen klären, Essen organisieren, die tägliche Stimmung der pflegebedürftigen Person im Blick haben – das alles läuft oft im Kopf. Still. Ohne offizielle Anerkennung. Ohne „Feierabend“.

Oder Paare ohne Kinder: Wer merkt sich eigentlich den Jahrestag? Wer bucht den nächsten Urlaub? Wer denkt an Geburtstagsgeschenke für Freunde und Familie? Wer organisiert die Steuerunterlagen? Auch hier kann sich Mental Load schnell einseitig verteilen.

Wenn Arbeit im Kopf bleibt: Auch im Beruf ist Mental Load real

Kennst du diese Kollegen, die „alles im Blick haben“? Die wissen, wann die Präsentation fällig ist, wer noch Rückmeldung geben muss, wann der Drucker gewartet wird und wann die Weihnachtskarten verschickt werden sollen? Genau. Das ist auch Mental Load.

Es ist die unsichtbare Projektleitung, die über das Organigramm hinausgeht. Und häufig übernehmen diese Rolle (Überraschung!) wieder Frauen. Nicht, weil sie es besser können, sondern weil sie es oft einfach machen. Weil niemand sonst daran denkt. Oder sich dafür zuständig fühlt.

Die emotionale Verantwortung – auch ein Teil des Mental Load

Mental Load ist nicht nur organisatorisch, sondern oft auch emotional. Wer kümmert sich darum, wie es allen geht? Wer bemerkt, wenn jemand still wird? Wer sorgt dafür, dass Konflikte angesprochen werden? Wer ist „sozial zuständig“ für die Stimmung zu Hause, im Team, im Freundeskreis?

Auch das ist Last. Und auch die verteilt sich nicht von allein.

Warum wir aufhören sollten, Mental Load kleinzureden

„Ist doch nicht so schlimm. Ich hab das schon immer so gemacht.“

Solche Sätze hören wir (und sagen wir selbst) viel zu oft. Dabei steckt darin eine gefährliche Botschaft: Du musst das halt tragen. Ohne dich läuft’s eben nicht. Reiß dich zusammen.

Aber genau dieses Runterspielen ist Teil des Problems. Denn solange wir Mental Load nicht als echte, anstrengende Arbeit anerkennen, wird sich daran auch nichts ändern.

Rollenbilder und Sozialisierung – ein gesellschaftlicher Nährboden

Viele von uns sind so aufgewachsen: Die Mutter hat „alles geregelt“, der Vater war „fürs Grobe“ da. Diese Prägung wirkt. Bis heute.

Ob wir wollen oder nicht – unser Bild von Verantwortung ist tief verwurzelt. Und selbst wenn wir es anders machen wollen, tappen wir schnell wieder in die alten Muster. Die Folge: Der eine übernimmt „automatisch“ die Verantwortung, der andere fragt: „Was soll ich tun?“.

Dabei ist das keine persönliche Schwäche. Es ist ein kollektives Muster. Und das zu durchbrechen, braucht mehr als gute Vorsätze – es braucht Bewusstsein, Gespräche und neue Strukturen.

Die Sache mit dem schlechten Gewissen

Ein besonders gemeiner Aspekt von Mental Load ist das schlechte Gewissen. Kennst du das? Du machst eine Pause – und fühlst dich schuldig, weil noch so viel zu tun ist. Du gibst eine Aufgabe ab – und zweifelst, ob das wirklich okay ist. Du sagst „Nein“ – und hast das Gefühl, jemand anderen im Stich zu lassen.

Auch das gehört zum Mental Load. Und auch das betrifft nicht nur Eltern. Es betrifft Menschen, die sich verantwortlich fühlen – für alles, für alle, ständig.

Warum wir über Systemstrukturen sprechen müssen

Mental Load ist nicht nur ein individuelles Problem, sondern auch ein strukturelles. Warum gibt es in vielen Unternehmen keine echten Vertretungsregelungen? Warum hängt die Verantwortung für Teamstimmung und zwischenmenschliche Kommunikation oft an Einzelpersonen? Warum werden Care-Arbeiten in unserer Gesellschaft noch immer nicht fair bezahlt oder anerkannt?

Solange diese Fragen unbeantwortet bleiben, wird Mental Load weiter wachsen. Und mit ihm die Überforderung vieler Menschen.

Was wir tun können – als Gesellschaft, als Teams, als Freundeskreis

  • Verantwortung sichtbar machen: Ob in der Familie oder im Team – was im Kopf passiert, muss auf den Tisch. Wer denkt woran? Wer fühlt sich zuständig? Und ist das wirklich fair verteilt?
  • Strukturen schaffen, die entlasten: Vertretungen, Checklisten, Tools zur gemeinsamen Organisation, regelmäßige Gespräche über Aufgabenverteilung – all das hilft, Mental Load zu teilen.
  • Emotionale Arbeit anerkennen: Zuhören, Kümmern, Verstehen – das ist Arbeit. Punkt. Sie sollte nicht einfach „mitlaufen“, sondern wertgeschätzt und bewusst verteilt werden.
  • Rollenbilder hinterfragen: Wer übernimmt was – und warum? Was davon ist wirklich freiwillig, was „erwartet“? Und was wäre, wenn wir es mal ganz anders machen?

Was ich selbst gelernt habe – und noch lernen muss

Ich dachte lange, Mental Load sei mein persönliches Problem. Mein Hamsterrad. Mein Organisationstick. Bis ich gemerkt habe: Es geht so vielen so. Nicht nur anderen Müttern. Sondern auch meiner Freundin ohne Kinder, die die ganze Familienorga für ihre Eltern übernimmt. Meinem Kollegen, der die komplette interne Kommunikation im Büro regelt, obwohl er es gar nicht müsste. Meiner Nachbarin, die nicht nur ihre Kinder, sondern auch ihren Partner emotional managt.

Mental Load ist überall. Und wir alle haben ihn mal mehr, mal weniger. Die Frage ist nur: Reden wir drüber? Und wie gehen wir damit um?

Ein Aufruf zum Teilen – nicht nur von Aufgaben, sondern von Verantwortung

Es geht nicht darum, dass alle immer gleich viel tun. Es geht darum, Verantwortung gemeinsam zu tragen. Hinzusehen, zuzuhören, bewusst zu fragen: „Wie geht’s dir mit allem, was du im Kopf hast? Kann ich etwas übernehmen?“ Und es dann auch wirklich zu tun – ohne dass jemand dreimal daran erinnern muss.

 

Mental Load ist nicht nur eine Elternsache. Es ist eine Menschensache. Eine Beziehungssache. Eine Gesellschaftssache. Und genau deshalb verdient sie unsere Aufmerksamkeit – von uns allen.

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