Bevor wir mit Definitionen um uns werfen oder in lange Erklärungen abdriften, lass uns kurz durchatmen: Nachhaltigkeit ist kein abstraktes Konzept, das man Kindern mit Grafiken und Diagrammen einbläuen muss. Es ist etwas, das wir alle spüren können – vor allem, wenn wir uns gemeinsam fragen: Wie wollen wir leben? Und was wollen wir hinterlassen? Wenn Kinder lernen, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, dann ist das der beste Anfang.
Nachhaltigkeit beginnt mit einer Frage: Warum machen wir das so?
Stell Dir vor, Dein Kind fragt beim Spaziergang durch den Park: „Warum liegt hier Müll?“ Oder beim Zähneputzen: „Warum soll ich das Wasser ausmachen?“ Genau da beginnt Nachhaltigkeit. Nicht mit erhobenem Zeigefinger oder wissenschaftlichen Begriffen, sondern mit einer ehrlichen Frage und einem neugierigen Blick auf die Welt. Und ehrlich: Kinder sind dabei oft viel schlauer als wir denken.
Bei uns zu Hause war das Thema Nachhaltigkeit nie groß auf der Agenda. Bis unser Ältester mit seiner Kindergarten-Truppe den Wertstoffhof besucht hat. Am Abendbrottisch hat er uns erklärt, wie man Joghurtbecher richtig trennt. Da wussten wir: Jetzt wird’s ernst. Seitdem sind wir als Familie Stück für Stück in ein nachhaltigeres Leben hineingewachsen – mit vielen Aha-Momenten und auch ein paar Rückschlägen.
Was heißt eigentlich „nachhaltig“?
Ganz einfach gesagt: Nachhaltig ist etwas, das die Welt auch für spätere Generationen lebenswert hält. Es geht darum, sorgsam mit unseren Ressourcen umzugehen. Also mit allem, was wir zum Leben brauchen: Wasser, Luft, Boden, Energie, Tiere, Pflanzen – und ja, auch mit unserer Zeit. Nachhaltigkeit bedeutet, Entscheidungen so zu treffen, dass sie auch morgen noch sinnvoll sind.
Ein Beispiel, das unsere Kinder sofort verstehen: Stell Dir vor, Du hast eine Tafel Schokolade. Wenn Du alles auf einmal isst, ist sie weg. Wenn Du sie teilst und jeden Tag ein Stück genießt, hast Du länger etwas davon. Nachhaltigkeit bedeutet also: Teilen, einteilen und genießen – mit Blick auf morgen.
Auch das Bild vom „Welt-Rucksack“ hilft: Alles, was wir kaufen, nutzen und wegwerfen, landet in diesem symbolischen Rucksack, den unsere Erde trägt. Je voller er wird, desto schwerer fällt es ihr. Wenn Kinder verstehen, dass sie helfen können, diesen Rucksack leichter zu machen, sind sie oft sofort Feuer und Flamme.
Nachhaltigkeit zum Anfassen: Alltagssituationen, die jeder kennt
Beim Einkaufen: „Brauchen wir das wirklich?“ Diese Frage hat in unserem Haushalt einen festen Platz bekommen. Seitdem landen deutlich weniger Spontankäufe im Wagen. Und wenn doch, besprechen wir gemeinsam, warum das vielleicht nicht so nachhaltig war. Manchmal gehen wir sogar mit einem Einkaufszettel, auf dem die Kinder die „besonders nachhaltigen Produkte“ ankreuzen dürfen.
Im Bad: Die Duschzeit wird mit einer kleinen Sanduhr begrenzt. Das sorgt nicht nur für weniger Wasserverbrauch, sondern auch für jede Menge Gelächter, wenn die Zeit abgelaufen ist und noch jemand shampooniert dasteht. Zudem haben wir auf Nachfüllseifen umgestellt und zeigen den Kindern, wie viel Verpackung dadurch gespart wird.
In der Küche: Lebensmittel werden bei uns nicht mehr „weggeschmissen“. Wir sagen: „Wir schenken ihnen ein zweites Leben.“ Alte Bananen werden zu Pancakes, hartes Brot zu Croutons. Klingt fancy, ist aber total einfach. Und oft ein schöner Anlass, gemeinsam zu kochen und zu plaudern.
Im Kinderzimmer: Spielzeug wird getauscht oder verschenkt, wenn es nicht mehr genutzt wird. Und kaputte Sachen versuchen wir zuerst zu reparieren – am liebsten mit den Kindern zusammen. Das fördert nicht nur Nachhaltigkeit, sondern auch Kreativität.
Wie erkläre ich Kindern Nachhaltigkeit ohne Moralkeule?
Kinder lernen durch Erleben, nicht durch Vorträge. Deshalb ist es wichtig, ihnen Nachhaltigkeit zu zeigen statt zu erzählen. Und zwar mit Freude, nicht mit schlechtem Gewissen.
Wir haben zum Beispiel eine „Schatzkiste für Upcycling“ eingeführt. Da kommen leere Klopapierrollen, Schnüre, Kartons und Co. rein. Daraus entstehen Roboter, Einhornställe oder Raketenschiffe. Die Kinder sind stolz, etwas Eigenes zu basteln, und lernen nebenbei, dass man aus Altem Neues machen kann.
Oder unser Müllspiel: Wer richtig trennt, bekommt Punkte. Wer sich vertut, muss beim nächsten Mal den Bioeimer rausbringen. Fair und lehrreich. Und inzwischen sind unsere Kinder die besseren Mülltrenner als wir.
Einmal haben wir sogar einen eigenen „Kindermarkt“ veranstaltet, bei dem die Kinder alte Bücher und Spielsachen verkaufen durften. Das war nicht nur nachhaltig, sondern auch eine tolle Übung im Umgang mit Geld und Wertschätzung.
Nachhaltigkeit bedeutet auch: Fehler machen dürfen
Wir hatten auch Tage, an denen wir alles andere als „grün“ unterwegs waren. Schnell ins Auto gehüpft, weil wir zu spät dran waren. Plastikteller für das Picknick, weil das Porzellan zu schwer war. Das ist okay. Nachhaltigkeit ist kein Wettbewerb, sondern eine Haltung. Und manchmal braucht man einfache Lösungen, weil das Familienleben eben nicht immer perfekt läuft.
Wichtig ist, dass wir offen darüber reden. Auch mit den Kindern. „Heute war das nicht so nachhaltig. Was könnten wir nächstes Mal anders machen?“ Dieser Satz hat bei uns schon viele gute Ideen hervorgebracht. Und oft zeigen uns die Kinder, wie man’s besser machen kann – mit einer kindlich erfrischenden Sicht auf die Dinge.
Kleine Schritte, große Wirkung
Strom sparen: Licht aus, wenn keiner im Zimmer ist. Klingt simpel, ist aber ein Dauerbrenner. Unsere Lösung: Wer das Licht anlässt, muss am Abend beim Tischdecken helfen. Motivation pur. Zusätzlich haben wir Bewegungsmelder in Flur und Bad eingebaut – seitdem geht’s fast wie von selbst.
Wasser sparen: Beim Zähneputzen Wasserhahn zu. Unsere Kinder erinnern sich gegenseitig dran – manchmal mit nervigem Sing-Sang, aber hey, es wirkt. Auch beim Baden versuchen wir, Wasser mehrfach zu nutzen – zum Beispiel für die Pflanzen danach.
Plastik vermeiden: Trinkflaschen aus Edelstahl, Brotboxen statt Frischhaltefolie, Stoffbeutel fürs Einkaufen. Man gewöhnt sich schneller dran, als man denkt. Besonders cool finden unsere Kinder bunte Bienenwachstücher – da wird das Schulbrot gleich viel lieber gegessen.
Lieber zu Fuß als mit dem Auto: Der Schulweg dauert länger, klar. Aber er wird zum Gesprächsmoment, zum Beobachtungsspaziergang, zum Abenteuer. Und manchmal auch zur Schneeballschlacht. Wenn’s gar nicht anders geht, bilden wir Fahrgemeinschaften oder nutzen das Lastenrad.
Weniger kaufen, mehr tauschen: Ob Kinderkleidung, Bücher oder Spielzeug – vieles lässt sich tauschen oder gebraucht kaufen. Wir organisieren inzwischen regelmäßig Tauschbörsen mit anderen Familien aus dem Viertel.
Nachhaltigkeit ist Teamarbeit
In einer Familie klappt nichts ohne Zusammenarbeit. Deshalb ist es wichtig, alle mit ins Boot zu holen. Auch die Kleinsten. Wenn sie spüren, dass ihre Ideen ernst genommen werden, entsteht ein echtes Wir-Gefühl. Und plötzlich sind es die Kinder, die uns erinnern: „Hey, heute ist doch unser plastikfreier Dienstag!“
Wir haben bei uns einen „Nachhaltigkeits-Sonntag“ eingeführt. Da überlegen wir gemeinsam, was wir verbessern könnten. Manchmal ist es ein Projekt wie ein Hochbeet, manchmal nur die Frage, ob wir diese Woche plastikfrei einkaufen können. Hauptsache, alle machen mit. Manchmal laden wir auch Freunde ein und teilen unsere Ideen – so wächst das Thema auch über den eigenen Tellerrand hinaus.
Fazit: Nachhaltigkeit ist keine Theorie, sondern Familienleben
Wenn wir unseren Kindern Nachhaltigkeit erklären wollen, müssen wir keine Fachbücher wälzen. Wir müssen einfach anfangen. Gemeinsam. Mit Herz, Humor und ganz viel Alltag. Denn Nachhaltigkeit beginnt nicht mit Verboten, sondern mit Möglichkeiten.
Denn am Ende geht es nicht darum, perfekt zu sein. Sondern darum, bewusst zu handeln. Und wenn dabei auch noch tolle Gespräche, kreative Ideen und gemeinsame Erlebnisse entstehen, dann ist Nachhaltigkeit plötzlich nicht mehr abstrakt. Sondern etwas, das unsere Kinder ganz natürlich leben.
Und wer weiß – vielleicht bringen genau diese kleinen Veränderungen im Familienalltag irgendwann die große Wende. Schritt für Schritt. Tag für Tag. Mit offenen Augen und voller Neugier.